Schlesien 2025

"Doch das Schönste waren Klöße von Kanonenkugelgröße“

Gemeindereise vom 14.-21. September 2025 nach Schlesien

Von Michael Beier

So schrieb es der schlesische Schriftsteller und Rundfunkpionier Friedrich Bischoff in seinem Gedicht "Meiner Heimat gute Gaben“.

Ja, wir waren in Schlesien, genauer: in Niederschlesien. Die vierte Bildungs- und Gemeindereise der ev. Auferstehungs-Kirchengemeinde führte uns im September nach Polen, ins liebliche Hirschberger Tal mit seinen vielen Schlössern und ins viel besungene Breslau.

Klöße von Kanonenkugelgröße bekamen wir leider nicht zu sehen und schon gar nicht zu schmecken, auch keine ganz kleinen. Was muss das für ein Genuß sein! - Aber ich sehe auch ein: aufwändige Schlesische Klöße oder ähnliche Köstlichkeiten für eine Reisegruppe von 44 Personen vorzubereiten ist keine Fleißarbeit, sondern wohl eher eine Strafarbeit, und so mussten wir uns mit ganz normalen Köstlichkeiten zufrieden geben. Und die Abendessen waren immer gut und reichlich. Aber wirklich gar keine Wünsche ließ das Frühstücksbuffet in den Hotels offen, das derartig reichlich und vielfältig war, dass mir die Worte fehlen. Das war unglaublich.

Aber nein, wir waren nicht zum guten Essen nach Schlesien gefahren, wie man nach diesen ersten Sätzen glauben könnte (obwohl das keine abwegige Idee ist). Wir hatten andere Ambitionen. Diese 4. Gemeindereise war wieder eine Bildungsreise mit ganz deutlich religiöser Ausrichtung, weil wir u.a. die Freude hatten, einige besondere Kirchen in hochwertigem schlesischem Barock besichtigen und kennenlernen zu dürfen.
Aber wir wollten uns natürlich auch die legendäre Stabkirche Wang in der kleinen Berggemeinde Brückenberg im Riesengebirge (heute Ortsteil von Krummhübel) ansehen, die, zu klein geworden, im norwegischen Vang abgebaut wurde, um einer neuen Kirche Platz zu machen. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen kaufte sie im Jahre 1841 und schenkte sie schließlich der bedürftigen Berggemeinde Brückenberg, die keine Kirche besaß. Der König war sowohl zur Grundsteinlegung am 2. August 1842 als auch zur Einweihung der Kirche am 28. Juli 1844 anwesend. Mit den mittelalterlichen Schnitzereien, die christliche und heidnische Symbole vereinigen, ist sie etwas einmaliges in Deutschland und neben einer ähnlichen Kirche in Schweden die einzige historische Stabkirche außerhalb Norwegens. Ein Besuchermagnet.

Mit dem schlesischen Barock begann es aber bereits schon vorher an diesem ersten Tag in Hirschberg. Unsere polnische Stadtführerin Martyna ermöglichte es uns, die Gnadenkirche Zum Heiligen Kreuz in Hirschberg zu besichtigen, die nicht im Programm vorgesehen war. In einer Zeit, als sich die Unterdrückung der evangelischen Schlesier etwas gelockert hatte, durften die Protestanten (aufgrund der Altran-städter Konvention von 1707) 1709 bis 1718 diese evangelische Kirche in Hirschberg nach dem Vorbild der Stockholmer Katharinenkirche errichten, aus der Gnade des Kaisers, der sich diese Gnade allerdings gut bezahlen ließ. Am 25. Oktober 1957 wurde sie zur römisch-katholischen Kreuzerhöhungskirche umgewidmet. Wir hatten nicht nur die Freude, diese Perle des schlesischen Barocks kennen zu lernen, mit ihren hölzernen Emporen, in der 6000 bis 7000 Menschen Platz haben, sondern durften auch die Andacht für diesen Tag in dieser prächtigen Kirche halten. Das war ein wunderschöner Auftakt.

Die nächste Barockkirche war am folgenden Tag die Wallfahrtskirche Mariae Himmelfahrt in Grüssau, die die Gnadenkirche in Hirschberg an Pracht und gediegener Ausstattung tatsächlich noch übertraf. Während einer angenehmen, sehr informativen Führung durch den örtlichen Kirchenführer konnten wir uns die zahlreichen Nebenaltäre mit ihren Gemälden ansehen. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, aber unsere Führerin Martyna hat es vereinbaren können, dass wir in dieser prächtigen Kirche vorne in den Bänken direkt vor dem Hochaltar unsere 3. Andacht halten durften (Thema: „Gottes große Barmherzigkeit“, in der ich auf mehrere Gemälde der Seitenaltäre einging). Das war eine große Freude. Wir hatten vorher viel Zeit, uns alles in Ruhe anzusehen. Als der Kirchenführer anregte, zum Schluss der Andacht ein Marienlied zu singen, mussten wir allerdings passen. Unser Abschlusslied war „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“.
Anschließend ging es aber noch ganz wunderbar weiter. Ich hatte es mir gewünscht, wusste aber nicht, ob es im Programm war: Wir besichtigten noch die wenige Schritte entfernte Josephskirche. Die ganze Kirche erzählt mit vielen Nebenaltären und unzähligen Fresken das Leben Josephs von Nazareth, des Ziehvaters Jesu. Auch hier bekamen wir durch eine gelungene Führung tiefe Einblicke und genossen damit einen wunderbaren dritten Reisetag. Michael Willmann, Schlesiens größter Maler, hat einen großen Teil der Kirche ausgemalt, unterstützt durch Sohn und Stiefsohn. Es handelt sich hier – wie in der Gnadenkirche in Hirschberg – um hochwertigen schlesischen Barock.

Das waren eindeutige Höhepunkte dieser Reise, aber nicht einmal alle an diesem Tag. Denn nach der Mittagspause im Kloster fuhren wir nach Agnetendorf und besichtigten die Villa Wiesenstein des großen deutschen Dramatikers Gerhart Hauptmann. Auch hier bekamen wir eine umfangreiche und erhellende Führung durch die zum Teil großartig ausgemalten Räume. - Unser Abendessen fand wieder im Schloß Schildau statt, unserem Domizil für die ersten drei Tage, wo wir uns schon sehr wohl fühlten.

Es ging tatsächlich tagelang so weiter. Es folgte Höhepunkt auf Höhepunkt. Damit dieser Artikel nicht etwa den Umfang eines Reiseführers oder gar eines mehrbändigen Reiseberichtes erreicht, greife ich einfach noch zwei besonders wichtige Kirchen heraus, die unbedingt erwähnt werden müssen.

Am 4. Reisetag, nachdem wir uns eingehend mit dem Park von Schloß Schildau beschäftigt und auch kurz die Schlösser Lomnitz und Fischbach von außen gesehen haben, besichtigten wir – wieder mit einer Führung - die Friedenskirche in Jauer. Diese Friedenskirche „Zum Heiligen Geist“ ist eine von drei evangelischen Kirchen, die dem Kaiser im Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück abgetrotzt wurden. Die evangelischen Schlesier durften ab 1648 in Schlesien unter harten Bedingungen 3 Kirchen errichten, nur aus Holz und vergänglichem Material außerhalb der Städte Glogau, Jauer und Schweidnitz. Die Bauzeit durfte ein Jahr nicht überschreiten. Und doch sind große Fachwerkbauten entstanden für viele tausend Besucher mit prächtigen Innenausstattungen. Die vielen eingebauten Emporen brachten Platz für unglaublich viele Gottesdienstteilnehmer. Die Friedenskirchen in Jauer und Schweidnitz stehen heute noch, nach über 350 Jahren, und sind die größten erhaltenen Fachwerkkirchen Europas und gehören seit 2001 zum Unesco-Weltkulturerbe.

Die Friedenskirche Zum Heiligen Geist in Jauer (erbaut 1654/56) fasst 5.500 Personen, die Friedenskirche Zur Heiligen Dreifaltigkeit in Schweidnitz (erbaut 1656/57) sogar 7.500. Und doch mussten damals jeden Sonntag 3 Gottesdienste in Schweidnitz gehalten werden, um die 15.000 Besucher aus dem sehr großen Einzugsgebiet zu versorgen. In Schweidnitz wirkte von 1702 (erst als Diakon, dann von 1714 als Hauptpastor) bis 1737 der bekannte Kirchenlieddichter Benjamin Schmolck („Tut mir auf die schöne Pforte“), der mit seinen 1183 Kirchenliedern, die wegen ihrer Innigkeit und Herzensfrömmigkeit sehr geschätzt wurden, von rekordverdächtiger Schaffenskraft war.

Im Gegensatz zur Gnadenkirche in Hirschberg sind die Friedenskirchen noch heute evangelisch und es finden dort sogar noch deutsche Gottesdienste statt. Meine 43 Mitreisenden dieser lehrreichen und gesegneten Bildungsreise mögen es mir nachsehen, dass ich nicht alle Sehenswürdigkeiten erwähne, die es wert gewesen wären, wie die Jahrhunderthalle in Breslau, die wunderbaren Wasserspiele davor im Takt verschiedener Musikstücke, das Rathaus und die Universität in Breslau, die Stadtführungen und manches andere, das Freude bereitete. So spreche ich von dem, wovon mein Herz voll ist. Und das sind auf dieser Reise die wunderschönen, gut renovierten und so geschichtsträchtigen Kirchen in Schlesien, die alle von der sehr wechselvollen Geschichte dieser Region erzählen und großartige Zeugnisse christlichen Glaubens sind. Und doch möchte ich zum Schluss noch die St.-Hedwigs-Basilika in Trebnitz mit dem Grab der Hl. Hedwig von Andechs wenigstens erwähnen. Diese Kirche in schlesischem Barock, mit unglaublich prächtiger Ausstattung und Gemälden mit Szenen aus dem Leben dieser Heiligen, sei hier genannt, weil die Hl. Hedwig nicht nur die Schutzpatronin von Schlesien und der Stadt und des Bistums Görlitz ist, sowie der Hedwigskathedrale in Berlin, sondern auch die Schutzpatronin der Verständigung zwischen Polen und Deutschen. Und das finde ich für unsere Reisegruppe bedenkenswert.

Es war auch auf dieser Reise wieder eine sehr gute Gemeinschaft zu spüren, wie schon bei den vorigen 3 Gemeindereisen. Dass das mit einer so großen Gruppe auch so wunderbar geklappt hat, empfinde ich als Geschenk. Und unser Gebet um eine behütete und gesegnete Reise wurde mehr als erfüllt. Es ist ja keinesfalls selbstverständlich, dass man von so einer Reise ohne Unfall, ohne Zwischenfälle, gesund und fröhlich heimkehrt. Das ist uns geschenkt worden und noch viel mehr, indem wir – immer mit informativen Führungen – sehr viel sehen und entdecken durften, sogar mehr, als geplant. Dazu gehört gute Vorbereitung und gute, kompetente Durchführung, was Dr. Carsten Seick wieder vorbildlich geleistet hat, mit Unterstützung von seiner Frau Susanne und auch anderen helfenden Händen. Aber all das reicht nicht, wenn Gottes Segen und Schutz, um den wir am Anfang der Reise gebetet haben, fehlt. Dieser war allerdings spürbar vorhanden. Das war wunderbar.

Und dafür sind wir von Herzen dankbar.

Michael Beier.

Fotonachweis: Dr. Seick Kultur- und Gartenreisen