Siebenbürgen 2021

Kirchen und Kirchenburgen in Siebenbürgen

Von Sabine Schwedhelm

Unsere zweite Gemeindereise nach der interessanten Fahrt durch Griechenland auf den Spuren des Apostels Paulus ging diesmal ins rumänische Siebenbürgen.

Ein Schwerpunkt unserer Reise sollten die Kirchenburgen sein, die das Gebiet nachhaltig prägten und dem es seinen Namen verdankt.

Seit dem zwölften Jahrhundert riefen die ungarischen Könige deutsche Siedler in den Karpatenbogen zur Verteidigung und Urbarmachung des Landes und gewährten ihnen große Privilegien.

Auf die Bedrohung von außen, vor allem durch die Einfälle osmanischer Türken, reagierten die Bewohner mit Befestigung ihrer Städte und Kirchen und bauten ein dichtes Netz von Wehrkirchen, das einmalig in Europa ist.

Bis zu 450 solcher Anlagen soll es gegeben haben, von denen sich ungefähr 150 in sehr unterschiedlichem Zustand erhalten haben. Seit sieben von ihnen von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden, wird ihnen die verdiente Aufmerksamkeit zuteil.

Den Erfordernissen entsprechend wurden die Kirchenburgen im Laufe der Zeit immer stärker befestigt.

So wurden in Tartlau die Ringmauern im 14.Jahrhundert auf 12 m Höhe und fast 5 m Breite gebracht und mit Wehrgang und Schießscharten versehen.

An die Innenseite der Mauer wurden fast 300 Räume angebaut, so dass die Bewohner auch längere Belagerungen überstehen konnten.

Vor allem im 15. und 16. Jahrhundert häuften sich die Einfälle der Tataren und osmanischen Türken. Kleine Reitergruppen drangen über Gebirgspfade ein, setzten Dörfer in Brand und raubten Vieh und Menschen.Diese wurden gegen Lösegeld freigelassen, sonst drohte ihnen die Sklaverei.

Es ist überliefert, dass beispielsweise die Kirchenburg von Tartlau bei mehr als 50 Angriffen von Mongolen, Türken, Tataren, Kosaken und Moldawiern nur ein einziges Mal eingenommen werden konnte.

Die Kirche war immer Mittelpunkt dieser Anlagen und war als letzter Rückzugsort ebenfalls stark befestigt.

 

Gleich am zweiten Tag, einem sonnigen Sonntagmorgen, standen wir in Agnetheln /Agnita in der ersten Kirchenburg, einer gepflegten und museal präsentierten Anlage. Der Wehrgang mit den Schießscharten ist begehbar, und die über zwei Geschosse an die Mauer angebauten Räume zeigten exemplarisch die Nutzung:

eine ausgemalte Kapelle, die Schule, und beispielhaft die Wohnräume. Im Erdgeschoss war Raum für die Vorräte und auch für ein Gefängnis.

Im Zentrum stand die schon im 13. Jahrhundert errichtete Kirche, die im 15. Jahrhundert wehrhaft umgebaut und zur Hallenkirche umgeformt worden ist. Damals bekam sie auch ihren hohen, wehrhaften Turm mit den vier Ecktürmchen.

Um zu verstehen, was uns im Inneren der Kirche erwartete, ist ein kurzer Blick auf die Geschichte der Reformation in Siebenbürgen hilfreich.

Die Reformation in Siebenbürgen zwischen 1542 und 1550 ging von Kronstadt/Brasov aus.

Eine Schlüsselfigur war der gelehrte Humanist und Buchdrucker Johannes Honterus( 1498 bis 1549 ),der 1544 dort zum Stadtpfarrer gewählt wurde. 1550 wurde die lutherische Kirche offiziell anerkannt.

Im Juni 1572 setzte eine in der Margarethenkirche von Mediasch versammelte Gesamtsynode das Augsburger Bekenntnis als verbindliche Grundlage der Kirchenraumgestaltung ein.

Dem Bildersturm, der dann folgte, fiel all das, was den alten Glauben verkörperte, zum Opfer. Entfernt wurden die Nebenaltäre, die Heiligenfiguren, auch in den Altären, Wandmalereien, figürliche Kirchenfenster etc.

 Ein absolutes Bilderverbot wurde von den gemäßigten Reformatoren jedoch abgelehnt.

Da uns diese Hintergründe nicht vertraut waren, erlebten wir beim Betreten der Kirche von Agnetheln einige Überraschungen.

 Man fühlte sich wie in einer etwas altertümlich anmutenden evangelischen Kirche. Am Chorbogen, am Hochaltar, an der Kanzel - überall Bibelsprüche in deutscher Sprache. Dazu entdeckten wir ein Gesangbuch „der evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der sozialistischen Republik Rumänien“.

Es wurde hier also auf Deutsch gepredigt und gesungen. Dass die Gemeinde dazu auf glatt gehobelten Balken ohne Rückenlehne saß, war eine weitere Überraschung.

Von der Orgelempore und im Chor hingen alte orientalische Teppiche, wie sie uns auch noch in anderen Kirchen begegnen sollten, Stiftungen reicher Kaufleute aus dem Handel mit den osmanischen Türken.

Noch am selben Tag konnten wir in Meschen /Mosna eine weitere Kirchenburg besuchen.

Nach einer Führung durch die spätgotische Kirche wurden wir zu einem Imbiss in die „Speckstube“ des Turms eingeladen. Über Stiegen und den Wehrgang gelangten wir in die Turmstube, wo ein deftiger Imbiss auf uns wartete. Der Wein half dann, den reichlich angebotenen Speck zu verdauen.

Der nächste Tag in Mediasch/Medias begann mit dem Besuch der Kirchenburg um die eindrucksvolle Margarethenkirche mit ihrem schiefen Trompeterturm.

Der basilikale spätgotische Raum ist mit Szenen aus dem Neuen Testament als durchlaufendes Band über den Arkaden bemalt. Im Chor steht ein mächtiger spätgotischer Flügelaltar der Zeit um 1500, bei dem es sich um eines der bedeutendsten Werke der Spätgotik in Siebenbürgen handeln soll. In dieser Kirche fand, wie schon beschrieben, 1545 die Synode statt, die den reformatorischen  Bildersturm ausgelöst hat.

In der Kirchenburg in Baasen, wurde uns ein Orgelkonzert geboten, bevor es mit zwei Pferdewagen zur zerfallenden Kirchenburg nach Bonnesdorf ging, bei Blitz und Donner.

 

Das Kontrastprogramm bot die Kirchenburg von Birthälm/Biertan, die zusammen mit dem sie umgebenden Dorf als Weltkulturerbe eingetragen ist. Auf einer leichten Anhöhe gelegen bot sie schon von weitem mit ihren drei Mauerringen und sechs Türmen ein eindrucksvolles Bild.

Zudem war ihre dreischiffige spätgotische Hallenkirche Bischofssitz und geistlicher Mittelpunkt Siebenbürgens, was sich auch an ihrer reichen Ausstattung zeigte.

Im Chor stand ein mächtiger Flügelaltar mit Darstellungen aus dem Marienleben. Es gab auch ein intarsiertes Chorgestühl, eine Sandsteinkanzel mit Reliefdarstellungen, ein gotisches Taufbecken sowie ein bemerkenswertes  monumentales und sehr kunstvolles Schloss an der Sakristeitür.

Ein weiterer Ausflug galt der imposanten Felsenburg Hunedoara, die zu den bedeutendsten Profanbauten Siebenbürgens gehört und im 15. Jahrhundert über einer Anlage des 14. Jahrhunderts errichtet wurde.

Heute wird  die stark restaurierte und auch stark besuchte Burg museal genutzt und dient als Kulisse für Filmproduktionen. Sie besitzt die größten und prächtigsten Repräsentationsräume aller besuchten Burgen.

 

Bei großer Hitze besuchten wir anschließend noch die letzte unserer Kirchenburgen in Mühlbach/Sebes und ihre dreischiffige, basilikale Kirche mit dem hochgotischen Chor und einem Hochalter in Renaissanceformen. Im rechten Seitenschiff hat sich der Rest eines Lettners erhalten. Eine gewaltige Eiche im Burghof war ein willkommener Schattenspender.

Wie den ersten, so verbrachten wir auch den Nachmittag des letzten Tages in Hermannstadt/Sibiu.

Die letzte der schönen Kurzandachten, die Pfarrer Witt in den Kirchen hielt, die wir besucht haben, fand nun in der großen evangelischen Stadtpfarrkirche statt, die eigentlich wegen Restaurierung geschlossen war. Sie ist eines der ältesten und beeindruckendsten Kirchengebäude Siebenbürgens und beherbergt die größte Gemeinde lutherischen Glaubens in Rumänien.

Wegen der Restaurierungsarbeiten war die Ausstattung größtenteils ausgelagert aber dank unserem umsichtigen und bestvernetzten örtlichen Führer Matthias konnte Pfarrer Witt dort eine letzte Andacht halten, und unser Gesang wurde von der Tochter des Pfarrers auf der Geige begleitet.

Die Reise durch dieses schöne, unbekannte Land mit seiner kulturellen Vielfalt, seinen intakten Städten und Landschaften, wie auch die Freundlichkeit seiner Bewohner hat uns alle nachhaltig beeindruckt und auch in der Gruppe eine echte Verbundenheit geschaffen.

Video-Tagebuch der Gemeindereise

von Charlotte Seick

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